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Über's Filmen

Wie gründet man einen gemeinnützigen Verein (e.V.) ?

Dies ist keine theoretisch-juristische Anleitung zur Gründung eines Vereins. Dies ist ein Erfahrungsbericht aus der Praxis, wie Erstgründer ohne professionelle Hilfe ihren eigenen Jugendverein gründen. Wie lange es dauert es? Welche Fallen lauern? Welche Resourcen sind nützlich?

[su_box title=“Wir gründen einen Verein“ style=“noise“]

April 2015 – Erste Ideen

Nach drei Jahren Nie Wieder Shakespeare und ca. 16 Filmen verfestigt sich die Idee, einen Verein für unsere Jugendarbeit und Filmaktivitäten zu gründen. Wir versprechen uns davon einige Vorteile:

  • Möglichkeit zum Abschluss von Vereinsversicherungen
  • Zugang zu öffentlicher Unterstützung
  • Die Möglichkeit, Einnahmen zu generieren
  • Größere Spendenbereitschaft durch Ausgabe von Spendenquittungen
  • Zugang zur Juleica für unsere Jugendleiter
  • Haftungsschutz für Vorstände und Mitglieder (wenn auch lückenhaft)
  • Erhöhte Motivation zur Mitarbeit für Filmemacher, Jugendliche und Eltern.

Wir sprechen mit ersten potentiellen Mitgliedern und beschließen, einen Satzungsentwurf zu erstellen. Viele Wochen Arbeit kommen auf uns zu. Wir müssen verstehen, was in eine Satzung gehört (z.B. Ein- und Austritt, Durchführung der Mitgliederversammlung, Zusammensetzung und Aufgaben des Vorstandes und vieles mehr) und wie es formuliert werden muss. Die angestrebte Gemeinnützigkeit stellt weitere Anforderungen an den Vereinszweck. Ein Anwalt wäre sicherlich hilfreich, den können wir uns aber nicht leisten. Also stürzen wir uns ins Abenteuer!

Auch unsere jugendlichen Filmemacher sind begeistert von der Idee. Sie möchten gern Vorstandsämter übernehmen. Später, nachdem wir verstanden haben, welche Haftungsrisiken ein Vorstand eingeht, werden wir ihnen das leider wieder ausreden müssen.

Juni 2015 – Satzungsentwurf

Satzung des Vereines mit Anmerkungen

Ein erster Satzungsentwurf ist fertig. Wir senden ihn an die zukünftigen Gründungsmitglieder und laden sie zur Gründungsversammlung ein. Der Satzungsentwurf enthält farblich erkennbar Erklärungen, die wir für das Verständnis der Satzung für wichtig oder hilfreich halten. Später müssen diese entfernt werden.

26.7.2015 – Der Verein wird gegründet

Zur Gründungsversammlung müssen laut Gesetz mindestens sieben Gründungsmitglieder anwesend sein. Bei uns sind es 15. Alle sind sich im Grunde einig, aber die Satzung erfordert doch noch einige Diskussionen und Erklärungen. Soll der Vorstand die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden dürfen, oder bleibt das der Mitgliederversammlung vorbehalten? Lassen wir für die Mitgliedsbeiträge nur SEPA-Einzug zu? Sollen Umlagen vorgesehen werden? Aus wievielen Mitgliedern soll sich der Vorstand zusammensetzen? Dürfen auch Minderjährige in den Vorstand?

Die Satzung umfasst insgsamt acht Seiten und wir brauchen vier Stunden zur Durchsprache. Wir sind froh über die anwesenden Erwachsenen, denn es kommen viele begründete Anmerkungen und hilfreiche Fragen. Die anwesenden Jugendlichen erscheinen nach zwei Stunden eher genervt von den Diskussionen.

Nach der Diskussion wird der Vorstand gewählt. Am Ende unterzeichnen alle Anwesenden das Gründungsprotokoll. Ab jetzt existiert der Verein, darf sich aber noch nicht „e.V.“ oder „gemeinnützig“ nennen. Dafür sind die nächsten Schritte erforderlich.

3.8.2015 Brief an das Finanzamt

Als erstes möchten wir die Gemeinnützigeit beim Finanzamt beantragen. Mit der Eintragung ins Vereinsregister warten wir noch. Denn wenn das Finanzamt Änderungen an der Satzung verlangt, würden andernfalls erneut die Eintragungsgebühren fällig werden.

Die neu gewählten Vorstände senden die nun gültige Satzung und das Gründungsprotokoll an das Finanzamt Erlangen mit der Bitte um Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Wir hätten dies auch als Vorab-Prüfung vor der Gründung tun können. Jedoch erschien es uns seltsam, dem Finanzamt eine Satzung zuzusenden, die noch gar nicht mit den Gründungsmitgliedern besprochen ist.

September 2015 – Ablehnung

Das Finanzamt teilt uns mit, dass es die Satzung nicht als gemeinnützig akzeptieren könne. Insbesondere sei nicht erkennbar, für welche der in §52 AO Satz 2 genannten Punkte wir die Gemeinnützigkeit beantragen wollen. Wir überarbeiten die Satzung und versuchen, die Mängel zu beheben. Wir nehmen für uns die Punkte Kunst, Bildung und Jugendarbeit in Anspruch.

20.9.2015 – Zweiter Versuch

Wir senden dem Finanzamt den neuen Satzungsentwurf zu sowie eine angeforderte Liste unserer bisherigen Aktivitäten. Da die Satzung erst durch eine Mitgliederversammlung beschlossen werden muss, können wir diesmal nur um eine Vorab-Prüfung bitten.

25.11.2015 – Gemeinnützig!

Prüfung des Satzungsentwurfes

Das Finanzamt bestätigt uns, dass der neue Satzungsentwurf den Vorgaben für Gemeinnützigkeit entspricht. Wir freuen uns. Zwar können wir noch immer keine Spendenquittungen ausstellen, denn es
war ja nur eine Vorab-Prüfung, aber alles Weitere scheint nun Routine zu sein.

Januar 2016 – Neue Satzung

Auf der jährlichen Mitgliederversammlung wird der neue Satzungsentwurf und die Vereins- und Gebührenordnung verabschiedet. Wir senden die Satzung an einen Notar um die Eintragung ins Vereinsregister zu beantragen. Zwei Tage später ist die Anmeldung fertig, und zwei Vorstände müssen zum Notar um die Anmeldung notariell beglaubigt zu unterzeichnen. Der Notar sendet diese nun ans Vereinsregister. Die Eintragung selbst könne nach seiner Aussage nun einige Wochen bis Monate dauern.

Gleichzeitig senden wir die Satzung wieder an das Finanzamt und beantragen unsere Gemeinnützigkeit.

März 2016 – Der Stadtjugendring

Wir möchten gern in den Stadtjugendring aufgenommen werden. Nach vielen Diskussionen haben sich die Jugendlichen auf eine Jugendordnung geeinigt und diese zu Papier gebracht. Die Jugendordnung schicken wir mit dem ausgefüllten Aufnahmeantrag an den lokalen Stadtjugendring. Gespräche hatten wir ja bereits seit Herbst mit ihnen geführt. Eine erste Prüfung geht positiv aus, aber für die Aufnahme auf der Frühjahrsversammlung sind wir etwas zu spät dran. Wir müssen uns also bis zum Herbst gedulden.

April 2016 – Unser irreführender Name

Ablehnung des Namens

Ende April bekommen wir Post vom Registergericht. Es erklärt uns, dass unser Name irreführend sei und hat sich dies sogar von der IHK bestätigen lassen. Wenn Shakespeare drauf steht, muss auch Theater drin sein. So ungefähr lautet das Fazit, und daher wird uns die Eintragung verweigert. Außerdem sehen sie noch weitere kleinere, lösbare Probleme in unserer Satzung.

Wir sind zwar anderer Meinung und glauben, dass bei Romeo und Julia deutlich mehr Menschen an Leonardo di Caprio denken dürften, als an irgendeinen Theaterschauspieler. Aber das mag ein Generationenproblem sein und hilft uns nicht weiter. Also wird ein neuer Name vorgeschlagen: „Jugendfilmgruppe Nie Wieder Shakespeare“. Zwar immer noch mit Shakespeare, denn von unserem inzwischen fast vier Jahre alten Namen wollen wir uns keinesfalls trennen. Aber Raum für Verwechslung sollte es so trotzdem nicht mehr geben.

Wir ändern die Satzung entsprechend, senden den neuen Namen zur Vorabprüfung an das Registergericht, und laden schon einmal zur Mitgliederversammlung ein. Denn diese muss ja laut Satzung mit mindestens vier Wochen Vorlauf geplant werden und wir wollen keine weitere Zeit verlieren.

Mai 2016 – Die nächste Satzung

Am 14.5. bekommen wir wieder Post vom Registergericht. Der neue Name ist eintragungsfähig. Ende Mai findet die Mitgliederversammlung ohne großes Prozedere statt. Die Satzungsänderung wird einschließlich aller notwendigen Formalien für Mitgliederversammlungen innerhalb von 15 Minuten beschlossen. Die neue Satzung samt Protokoll der Mitgliederversammlung wird zum Registergericht gesendet.

Juni 2016 – Vorsicht Falle!

Kostenpflichtige Eintragung in irgendein Register

Schon am 3.6. bekommen wir Post, adressiert an die „Jugendfilmgruppe Nie Wieder Shakespeare e.V.“ Jemand wünscht sich fast 1000€ für die Eintragung unseres Vereins in irgendein Register. Ein kurzer Schreck. Dann beschließen wir, diese Post zu ignorieren.

Die Post vom Gericht erreicht uns zwei Tage später am Montag mit der lang erwarteten Nachricht, dass wir nun ein e.V. sind. Wir freuen uns. Wir werden sogar darauf hingewiesen, dass wir mit nichtamtlichen, aber amtlich erscheinenden Rechnungen zu rechnen haben.

Jetzt ganz wichtig: Schnell das Impressum auf der Webseite anpassen, um Abmahnern aus dem Weg zu gehen. Informationen dazu findet man z.B. auf e-recht24 oder beim Landessportverband Saarland

Und schon einen Tag später erreicht uns auch die Mitteilung des Finanzamtes, das uns (etwas verklausuliert) mitteilt, dass wir nun Spendenbescheinigungen ausstellen dürfen. Damit betrachten wir unsere Vereinsgründung als abgeschlossen.

Von den ersten ernsthaften Recherchen bis zur Gemeinnützigkeit 14 Monate. Das geht bestimmt auch schneller. Wie sind eure Erfahrungen? Schreibt uns! Wir sind gespannt, was ihr erlebt habt!

September 2016 – Nachtrag – GEZ

GEZ Auskunft

Nun haben wir noch Post bekommen von der GEZ. Vereine müssten Gebühren zahlen, gestaffelt nach Zahl der Angestellten für jede Betriebsstätte und jedes Kfz. Für gemeinnützige Organisationen gibt es Nachlässe. Wenn sich die Betriebsstätte in einer Privatwohnung befindet, für die schon GEZ gezahlt wird, werden wohl keine weiteren Gebühren fällig. Wir sind uns nicht sicher, ob wir überhaupt eine Betriebsstätte haben. Mit einem Anruf für 20ct aus dem deutschen Festnetz lässt sich das Thema innerhalb von Sekunden klären: Wir haben tatsächlich keine Betriebsstätte und müssen daher auch nichts zahlen. Die freundliche Dame am Telefon erledigt alles für uns und wir müssen das Formular gar nicht mehr ausfüllen.

Hilfreiche Links

Musterdokumente

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Haftung im Verein

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Allgemeine Infos zum Vereinsrecht

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